Review< Zurück 06.02.2011

Der Auftragslover: Das Nikotinpflaster für falsch Liierte

Von Max Werschitz

Will frau mit dem Rauchen aufhören, so klebt sie sich ein Nikotinpflaster auf den Arm; will jemand dass frau sich von ihrem Partner trennt, so klebt man ihr den Auftragslover vor die Nase. Pascal Chaumeils unglücklich eingedeutschte Komödie L'Arnacoeur bietet eine raffinierte Entwöhnungskur mit Witz und Charme.

Alex Lippi (Romain Duris) ist jung, clever und gutaussehend, und nützt dies in einem ungewöhnlichen Beruf: zusammen mit seiner Schwester Mélanie (Julie Ferrier) als Strategin und deren Ehemann Marc (Francois Damiens) als Überwachungsspezialist bieten sie gutbetuchten KundInnen an von ihnen nicht erwünschte Beziehungen weiblicher Familienmitglieder oder Freunde zu beenden. Die Taktik ist gut erprobt und funktioniert immer – Alex tritt als unwiderstehlicher (aber auch unerreichbarer) Mann in deren Leben und bringt sie dazu ihre bisherigen Partner in unbarmherzigem neuen Licht zu sehen. So grausam das klingt, das Herzensbrechertrio folgt dabei einem strikten Kodex: es werden nur eigentlich unglückliche Partnerschaften getrennt. Seine Schulden zwingen Alex jedoch diese Prinzipien über Bord zu werfen, als der etwas zwielichtige Geschäftsmann Van Der Beck will dass Alex der scheinbar perfekten Beziehung zwischen seiner Tochter Juliette (Vanessa Paradis) und dem Engländer Jonathan (Andrew Lincoln) den Garaus macht – und das noch dazu nur wenige Tage vor deren Hochzeit in Monte Carlo. Alex gibt sich also als vom Vater geschickter Bodyguard aus und macht sich an die Arbeit…

Dem Etikettenschwindel knapp entkommen

Es war eigentlich ein Riesenzufall dass ich diesen Film gesehen habe. Als ich den deutschen Titel das erste Mal im Kinoprogramm auftauchen sah dachte ich es wäre eine seichte amerikanische Komödie von der Stange. Erst der Trailer offenbarte ihn als französischen Film (nicht immer, aber oft ein Qualitätsmerkmal), und während der Abspann lief war mein erster Gedanke dass ein so charmanter und liebevoll gemachter Film dieses falsche Stangenetikett einfach nicht verdient hat. Und siehe da: den hiesigen Marketingabteilungen ist bei der mainstreamverschleimten deutsch-englischen Mischformnamensgebung wieder einmal ein waschechter Griff ins Klo gelungen. Der Auftragslover heißt im französischen Original L'Arnacoeur, ein Wortspiel ("coeur" = Herz) basierend auf "arnaqueur", was soviel wie professioneller Betrüger (oder für die Anglophilen unter uns: "con man") bedeutet.

Lassen Titel und Trailer also die Geschichte eines glorifizierten Callboys vermuten, so ist der Film selbst eine Art Mission Impossible auf romantischen Abwegen. Schwulstige Sexszenen und eifersüchtelnde Freunde sucht man vergebens, stattdessen ziehen Alex, Mélanie und Marc ein cleveres Entwöhnungsprogramm für unglückliche Frauen durch – basierend auf CSI-reifer Recherche und Technologie, und gespickt mit zugegebenermaßen nicht gerade klischeefreier, aber passend satirisch überhöhter Paarungsverhaltenspsychologie (zum Totlachen: Alex' perfekt einstudierte Tränentaktik). Die "pre-title sequence" des Films, in dem man Charaktere und Methodik anhand eines Fallbeispieles vorgestellt bekommt, erinnert stark an jene am Anfang vieler James Bond-Filme, und würde wohl gut ins Programm diverser Kurzfilmfestivals passen.

L'Arnacoeur ist der erste Kinofilm von Regisseur Pascal Chaumeil, der bisher hauptsächlich in der französischen TV-Landschaft unterwegs war, jedoch auch schon bei großartigen Filmen wie Leon - Der Profi (1994) und Das Fünfte Element (1997) im Assistenzeinsatz Erfahrung sammeln konnte. Sein Gespür für (nicht nur komödiantisches) Timing und eine generell frisch-flotte Inszenierung kommt dem Auftragslover deutlich zugute. Abgesehen davon ist es ein solides Drehbuch (Laurent Zeitoun, Jeremy Doner, Yoann Gromb) und vor allem Romain Duris (bei uns wohl am ehesten durch die beiden L'Auberge Espagnol-Filme bekannt) der mit einer lustvoll komischen Performance dem Film das gewisse Etwas verleiht. Auch Francois Damiens als rollenspielversessener Marc darf in einigen Szenen sein Talent zeigen, während Vanessa Paradis eher – aber vielleicht durchaus gewollt? – farblos wirkt.

Eines scheint mir jedenfalls fast sicher: in spätestens 3 Jahren wird es wohl ein amerikanisches Remake geben. Man darf gespannt sein ob die Wahl des deutschen Titels dann etwas subtiler ausfällt.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2010
  • Länge: 105 min
  • Regie: Pascal Chaumeil
  • Drehbuch: Laurent Zeitoun, Jeremy Doner, Yoann Gromb
  • Darsteller: Romain Duris, VAnessa Paradis, Julie Ferrier, Francois Damiens, Andrew Lincoln, Helena Noguerra
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

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